Einmal mehr war die WeihnachtsZeitreise
ein Riesen-Besuchermagnet

Mehr als 25.000 Besucher rund ums Schloss und am Goetheplatz
So viel Freude geht auf keine Kuhhaut

Was wäre ein mittelalterlicher Markt ohne Musik und 'Narretey'? Nachdem sie dem Publikum das richtige Applaudieren beigebracht hatten, inklusive 'Ooooh' und 'Aaaaahhh', gingen diese drei Musikanten in die Vollen. (SZ-Foto: Nicole Klappert)

"Muffig Fratzen schneiden" war an diesem Wochenende nun wirklich keine Option.

Bad Berleburg. (nik) Gut, wenn man als Marktbesucher gleich ein paar grundsätzliche Dinge mit auf den Weg bekommt – bevor man sich hinterher wundert: "Wer muffig Fratzen schneidet, der wird vom Buckligen drei Mal auf einer Kuhhaut über den Markt geschleift!" – ein paar satte Hiebe auf den Allerwertesten inklusive. Und es wird nicht gejammert! Ansonsten aber setzte der Marktvogt am gestrigen Sonntag alle schon am Vortag verkündeten Regeln für die diesjährige Weihnachts-Zeitreise wieder außer Kraft, bis auf diese eine: "Üppig und reichlich speisen" sollten die Leute, und außerdem "schön einen heben"!

Und was so ein Marktvogt sagt, das ist nun mal Gesetz. Auch im Jahre des Herrn 2013 noch. Es muss nicht in Sodom und Gomorrha ausarten, nein, aber Freude machen soll es allemal, und gemundet hat es ganz offensichtlich auch. Das bekamen die Veranstalter in diesem Jahr noch ein bisschen früher zu spüren als sonst, mussten sie doch schon am Sonntag früh sowohl Essen als auch Getränke nachbestellen, weil der Andrang bereits am Samstag so groß gewesen war. Kein Wunder eigentlich: Am Goetheplatz angefangen über den Schlosshof bis zu den Mittelalterleuten in den Schlossgarten konnte man einfach seiner Nase folgen, denn gutes Essen gab es wirklich an jeder Ecke – Widerstand absolut zwecklos. Und obgleich es ganz bestimmt nicht warm war, so richtig knackig kalt war es eben auch nicht. Trotzdem mundeten Glühwein und Met in ihren "irdenen" Gefäßen ganz ordentlich. Wer wird denn auch auf Schnee warten wollen, wenn der Marktvogt sagt: "Trinkt!"

Der Scherenschleifer war nur einer von vielen, der sein traditionelles Handwerk in einer kleinen 'Werkstatt' vorführte und damit auf viel Interesse stieß. (SZ-Foto: Nicole Klappert)

Hochwertige, größtenteils handgefertigte Ware, regionale Spezialitäten, viele Menschen und Vereine von "vor Ort", gute und unaufdringliche Unterhaltung: Das Konzept Weihnachts-Zeitreise funktioniert. Immer noch. Hochzufrieden zeigten sich dementsprechend die Vertreter der Veranstaltergemeinschaft gestern beim obligatorischen Pressegespräch auf dem Goetheplatz. "Die Resonanz der Besucher war außerordentlich!", freute sich Bad Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann, der genau wie seine Mitstreiter stilecht gewandet frohe Kunde vom gelungenen Fest verbreitete. Mehr Besucher als 2012 habe man gezählt – und im vergangenen Jahr hatten schon rund 25.000 Menschen den Weg nach Bad Berleburg gefunden. Viele von ihnen kamen dabei auch diesmal von "auswärts", und so mancher machte von der Gelegenheit Gebrauch, am verkaufsoffenen Sonntag durch die Geschäfte in der Stadt zu stöbern.

"Was wir uns vor acht, neun Jahren vorgenommen haben, wird umgesetzt – und es kommt immer noch ein Stück dabei", so Bernd Fuhrmann. So wie der "Kleintierzoo", der erstmal auf dem Schlosshof Einzug gehalten hatte, in einem eigens für ihn antregeschaffenen Areal. Dass sie dort unter permanenter Beobachtung standen, war den Hennen dabei herzlich egal – sie taten, was Hennen im Allgemeinen so tun und legten Eier. Die Ponys mit Zöpfchen in den Mähnen freuten sich über viele Streicheleinheiten, und auch die Ziegen hatten keinerlei Grund zur Beanstandung. Gleich nebenan konnten sich kleine Handwerker mit ein bisschen Hilfe von Papa oder Opa im Sägen und Hämmern üben. Einen Steinwurf entfernt fand der Weihnachtsbaumverkauf statt, eine von der Rentkammer wiederbelebte Tradition. Nordmann-Tannen wie gemalt wechselten da die Besitzer, und wer gerade keinen Platz im Kofferraum hatte, konnte sich das gute Stück auch nach Hause liefern lassen.

  • Was Samstag Gesetz war, war sonntags Geschichte. Es sprach: der Marktvogt. (SZ-Foto: Nicole Klappert)
  • Der Färber aus Korbach hatte Krapp und Reseda, Waid und Zwiebel im Gepäck. (SZ-Foto: Nicole Klappert)

Ein Baum, so wusste es Forstdirektor Johannes Röhl von der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer zu berichten, wird sogar den Weg nach Thüringen antreten. Alle Beteiligten beschworen die familiäre Atmosphäre des Marktes, dessen nicht-kommerziellen Charakter und den Einsatz der zahlreichen Helfer vor und hinter den Kulissen, der auch vor manchmal unangenehmen Aufgaben nicht Halt macht. So dankte Holger Saßmannshausen, Vorsitzender des Jugendfördervereins, insbesondere den vielen Jugendlichen, die an den Kassenhäuschen ihren Dienst versahen: "Ein unangenehmer Job" sei das, denn immer wieder müssen man sich des Eintrittsgeldes wegen rechtfertigen. Wenn schon keinen unangenehmen, so doch einen ziemlich schweißtreibenden Part hatte Thomas Korn zu leisten, der das Kettenkarussell im Schlosspark betrieb. Und das kann durchaus wörtlich genommen werden, denn wie es sich für ein ordentliches mittelalterliches Fahrgeschäft gehört, kam dieses ganz ohne Motor aus.

Also ging es statt mit lärmiger Musik und Blingbling mit reichlich Muskelschmalz hoch hinaus – rund 50 Mal an diesem Wochenende. Da hatten es die übrigen Marktbeschicker einfacher, doch auch sie hatten alle Hände voll zu tun, den vielen Besuchern gerecht zu werden, die sich für altes Handwerk interessierten oder sich in der "Taverne" an so guten Sachen wie "Geschnetzeltem von der Haussau" laben wollten, wobei mancher Kommentar dazu ebenso deftig war wie das Essen selbst.

Wer die Tore zum Schlosshof durchschritt, wurde direkt in Barock und Biedermeier katapultiert. Und kaum senkte sich die Dämmerung nieder, entfaltete der Platz vor der Kulisse des beleuchteten Schlosses seinen ganzen Charme. Funkenflug und der Geruch von Feuern, überall kleine Gruppen gut gelaunter Menschen, die ihr Bestes gaben, nicht den Unmut des Marktvogtes auf sich zu ziehen. Und tatsächlich ist auch niemand auf einer Kuhhaut über das Kopfsteinpflaster geschleift worden – jedenfalls nicht bis zum SZ-Redaktionsschluss.

Von Nicole Klappert

Siegener Zeitung

Siegener Zeitung (16.12.2013)
Internet www.siegener-zeitung.de
SZ-Fotos (4): Nicole Klappert