Und wieder zündete der Zeitreise-Zauber

Weihnachtsmarkt rund ums Schloss und auf dem Goetheplatz
lockte zahlreiche Besucher an
Verkaufsoffener Sonntag in der Innenstadt

  • Altes Handwerk – wie hier beim Drechsler – stand hoch im Kurs.  (SZ-Foto: Nicole Klappert)
  • Jedes Jahr aufs Neue bietet das Bad Berleburger Schloss eine herrliche Kulisse für die WeihnachtsZeitreise. Auch wenn das Wetter am Samstag manchen von einem Besuch abhielt, so füllte sich der Schlosshof am Sonntag zusehens. (SZ-Foto: Nicole Klappert)
  • Nicht nur 'Ausführende', auch Besucher waren im Gewand erschienen. (SZ-Foto: Nicole Klappert)

Kurz vor der "Zehnten" zeigen sich die Veranstalter sehr zufrieden.

Bad Berleburg. (nik) Niko pennt. Damit nimmt er an diesem Wochenende auf der Bad Berleburger WeihnachtsZeitreise eine Sonderstellung ein, denn wer es schafft, in dem Trubel und dann auch noch bei solch tendenziell matschigen Bodenverhältnissen hinter dem Schloss ein Nickerchen zu halten, der ist entweder nicht mehr so ganz erdenschwer – oder ein Hund. So wie Niko eben.

Sein Besitzer, der Schmied aus Hatzfeld, zeigt Jan aus Schanze und dessen Großvater, wie das so geht mit dem Schmieden. Jan betätigt derweil mit Ausdauer den Blasebalg. Später werden wir Jan wiedertreffen, als er zuschaut, wie ein Mitarbeiter der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer vor einer interessierten kleinen Menge waidgerecht ein Mufflonschaf zerteilt. Keine Frage, Jan ist ein "Macher", auch hier steht er wieder in der ersten Reihe, kein bisschen gegruselt von dem wenig appetitlichen Anblick, der sich ihm da bietet. Nur zwei Meter weiter leisten weitere Mitarbeiter der Rentkammer Akkordarbeit am Grill: Hendrik Engelhard zum Beispiel, der im Minutentakt Wildwürstchen ausgibt: "Cholesterinarm und lecker!" Im Verlauf des Sonntagnachmittags füllen sich Schlosshof, Schlossgarten und Goetheplatz zusehens. Es ist trocken, und wer den Blick schweifen lässt, kann sich über bepuderzuckerte Wälder rings umher freuen. Dass die Helfer noch zwei Tage zuvor ihre liebe Not hatten, das Ganze aufzubauen, merkt hier niemand mehr. Bad Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann spricht den vielen Ehrenamtlern, deren Engagement angesichts des Sturms am Freitag auf eine harte Probe gestellt worden sei, ein "dickes Kompliment" aus. Forstdirektor Johannes Röhl gibt gar freimütig zu, wie er in diesem Jahr erstmals mehr beim Aufbau zugeschaut als angepackt habe: Auf dem Schlosshof müssen sich dramatische Szenen abgespielt haben, so sei ein eigener Trupp dafür abgestellt worden, die umherfliegenden Bäume wieder einzusammeln. Für das nächste Jahr, zum Zehnjährigen der WeihnachtsZeitreise, hat sich Röhl schon einen Plan B überlegt: "Wir hängen die Weihnachtsbäume auf, die schwingen dann locker durch!"

  • Sitzt, passt, wackelt und hat Luft: Diese beiden Frauen aus Frankenberg sind, wer weiß, gut behütet wieder nach Hause gefahren. (SZ-Foto: Nicole Klappert)
  • Bei der Märchenerzählerin ging den Kindern ein Licht auf. (SZ-Foto: Nicole Klappert)
  • Der Wirt vom Grünewald und seine Pfannen: Auch wenn es nicht wirklich kalt war – dem Mann und seiner Mannschaft war es sicher mit am wärmsten. (SZ-Foto: Nicole Klappert)

Besucherrekorde brechen, das wolle man gar nicht, so die Veranstalter. Es gehe darum, dass die, die kämen, sich wohlfühlten, und das sei selbst am Samstag, bei eher miesem Wetter und vergleichsweise sparsamer Frequenz der Fall gewesen. Zahlen nennen wollten die Veranstalter Karkeine; alles sei "perfekt gelaufen", so Holger Saßmannshausen, Vorsitzender des Jugendfördervereins, der an der Spitze von rund 40 beteiligten Vereinen in der Veranstaltergemeinschaft den Hut aufhat. Heiko Jung hatte sich von den "Ecker Jungs" sagen lassen, dass auch die Nikolausparty am Samstagabend im Bürgerhaus eine runde Sache gewesen sei. Trotz "Bauchschmerzen" im Vorfeld sei auch dieser Veranstaltungsort sehr gut angenommen worden. Dass man touristisch über die Region hinaus zur WeihnachtsZeitreise locken wollte, diese Rechnung scheint aufgegangen zu sein: aus Frankenberg laufen Leute der SZ vor die Linse, aus Hamburg, und ein Bus voller Borkener ist auch da.

Viele Aussteller sind seit der ersten WeihnachtsZeitreise dabei, so auch der Holzbildhauer aus Züschen, der gerade vor ein paar staunenden Kindern aus einem mitteldicken Baumstamm ein Nikolausgesicht herauszaubert. Je weiter der Nachmittag voranschreitet, desto glitzernder wird die Stimmung ums Schloss herum und auf dem Goetheplatz, und noch immer kommen viele Besucher die Rainchen hinauf, teils beladen mit Tüten, denn in der Stadt haben die Geschäfte zum "Verkaufsoffenen" geladen. Kinder grillen Stockbrot, die Herren vom "Blechhaufen" ölen mit einem Heißgetränk das Mundwerk und bieten dann auf ihren Instrumenten Weihnachtliches dar, mit einem Hauch von Swing. Apropos: Der "Mundwerker" Michael Klute lockt am Goetheplatz die Massen und entlockt seiner singenden Säge saisonale Songs. Wer es zu Hause nachmachen will: Eine Kreissäge empfiehlt sich da aber nur bedingt.

Während die Besucher auf dem Goetheplatz in "neuzeitlicher" Weihnachtsvorfreude schwelgen, sind Geschenkejäger und Genießer auf dem Schlosshof gut bedient: Getöpfertes und Geschnitztes, Gutes aus Honig, Schmuck, Deko und vieles mehr gibt es in den schicken Hütten zu entdecken, dazwischen Tannengrün und fein lodernde kleine Feuer, die, obwohl die ganz große Kälte diesmal fehlt, manches Grüppchen zum geselligen Beisammenstehen animieren.

  • Das Ehepaar Hörtenhuber, die SZ-Vertriebsrepräsentanten, an ihrem Stand auf dem Goetheplatz. Sie 'bewachten' auch den SZ-Wunschbaum mit vielen Sterneanhängern. (SZ-Foto: Nicole Klappert)
  • Mundwerker Michael Klute (r.) lockte am Goetheplatz die Besucher in Scharen an. Seiner singenden Säge entlockte der Mann Weihnachtliches, und verriet: 'Mit einer Kreissäge geht das maximal eine Minute lang!' (SZ-Foto: Nicole Klappert)

Rustikaler geht es hinterm Schloss zu, wo der Grünewälder Strief seine Zelte aufgeschlagen hat, "mit Rekordbeteiligung!", freut sich Kai Pompl, mit mittelalterlichem Handwerk, Musik, Gaukeley und gutem Essen. Auch von den Recken zur Porta aus Porta Westfalica ist eine Zwei-Mann-Abordnung zu Gast und kampiert in der Fünf-Sterne-Version des Mittelalterlagers (mit Feldbett) im Freien. Der Wirt vom Grünewald und seine Mannschaft (mitsamt Frauen) jedenfalls hat alle Hände voll zu tun: 200 Kilo Geschnetzeltes von der Haussau, 60 Kisten Champignons, 30 Eimer Dipp und acht bis zehn Schweine für das Wildgulasch, dazu haufenweise Kartöffelchen – nein, Moment: mittelaterliche Taschenwärmer heißt das –, noch Fragen? Kalt wird dem Mann hinter seinen dampfenden Riesenpfannen jedenfalls nicht.

Und gleich nebenan weiß die Bäckersfrau nicht, wie sie dem Ansturm vor ihrem Stand Herr werden soll: "Nüscht hatten wir früher, nüscht mal Hunger!" Das kann die Kundschaft so nicht von sich behaupten, ihre Dobs mit Speck oder Spinat gehen weg wie geschnitten Brot.

Da wirken die drei netten Hinterländerinnen am Schlosshof ein bisschen wie aus der Zeit gefallen: Ihre rosa Nikolausmützen sind bedruckt mit "Tussy on Tour", und ohne dieses Accessoire besuchen sie keinen Weihnachtsmarkt. Inzwischen zeigt sich das Schloss in seiner ganzen voll erleuchteten Pracht, innen wie außen, der Nikolaus und seine Engelchen waren da und haben Stutenherzen verteilt, und auch Frieder ist wieder erwacht – neben Niko der zweite Vierbeiner, der es fertigbrachte, ein Nickerchen zu halten inmitten dieses Tohuwabohu. Der Junior-Wildsau war das Gedränge auf Olaf Imhofs kleinem "Bauernhof" eingangs des Schlosshofs ganz offensichtlich ein bisschen zu dolle geworden, da hatte er sich kurzerhand weggebeamt.

Von Nicole Klappert

Siegener Zeitung

Siegener Zeitung (15.12.2014)
Internet www.siegener-zeitung.de
SZ-Fotos (8): Nicole Klappert